Corona, Inflation, Lieferengpässe: Der Mittelstand hat viele Herausforderungen. Die meisten Kopfschmerzen bereitet KMU jedoch nach wie vor der Fachkräftemangel, so das Mittelstandsbarometer der Beratungsfirma Ernst & Young.
Die Umfrage ergab, dass 54 Prozent der befragten Unternehmen den Fachkräftemangel als eine eher große oder sehr große Gefahr für das eigene Unternehmen ansieht.
Siehe Grafik unten, Bild 1. Quelle: Ernst & Young
Die Problematik wird sich voraussichtlich weiter verschärfen. Die Mehrheit der befragten Unternehmen plant in den kommenden Monaten eine Ausweitung der Belegschaft.
Siehe Grafik unten, Bild 2. Quelle: Ernst & Young
Arbeitgebermarken
Noch nie war es für Unternehmen so wichtig wie heute, eine Arbeitgebermarke aufzubauen. Qualifizierte Arbeitnehmer sind auf dem Arbeitsmarkt nicht nur begehrter denn je, sondern sie haben auch viel mehr Auswahlmöglichkeiten.
Gab es früher nur die Möglichkeit, aus den Arbeitgebern im unmittelbaren lokalen Umfeld auszusuchen, können Arbeitnehmer – je nach Tätigkeitsfeld – im Zeitalter von Homeoffice und Digitalisierung für Firmen aus aller Welt arbeiten. Arbeitgeber konkurrieren also nicht nur lokal, sondern weltweit. Und das gilt auch für lokal operierende Mittelständler.
KMU haben Nachteile
Es sind vor allem kleinere Betriebe, die im Arbeitsmarkt heute oft das Nachsehen haben. Großunternehmen profitieren von ihren Recruiting-Budgets und ihrem Bekanntheitsgrad. Sie können Fachkräftemängel zum Teil auch dadurch ausgleichen, dass sie Spezialisten innerhalb des Unternehmens auf andere Stellen oder in andere Werke versetzen. KMU können das meist nicht.
Auch sind KMU gerade unter jungen Bewerbern oft weniger „sexy“. Sie bieten zwar Vorteile beispielsweise für Familien, da sie in der Regel weniger physische Flexibilität erfordern. Trotzdem sind sie beispielsweise bei Universitätsabsolventen meist nicht die erste Wahl.
Fokus auf die Unternehmenskultur
Es gibt einfache und kostengünstige Lösungen, um sich im Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber zu platzieren. Es muss nicht immer ein übergroßes Gehalt sein, oder bequeme Sitzkissen und kostenlose Snacks im Kühlschrank.
Im Wesentlichen kommt es den meisten Bewerbern primär auf eines an: Sie möchten fair und gut behandelt werden und für ein Unternehmen mit hohen ethischen Ansprüchen arbeiten.
Vor allem der Generation der Millennials kommt es zunehmend auf die Unternehmenskultur und ethische Ausrichtung eines Unternehmens an. Selbst das Gehalt ist für jüngere Bewerber oft zweitrangig – auch wenn dem nach wie vor eine hohe Bedeutung beikommt.
Meldesysteme mit Signalwirkung
Nichts zeichnet eine Unternehmenskultur so sehr aus wie der Umgang mit Kritik und Beschwerden. Werden Missstände im Unternehmen einfach unter den Tisch gekehrt oder aktiv angesprochen? Werden vonseiten des Managements leere Versprechungen abgegeben oder beschäftigten sich die Verantwortlichen tatsächlich mit den Sorgen und Nöten der eigenen Mitarbeiter.
Seit 17.12.2021 müssen Unternehmen ab 250 Mitarbeiter EU-weit sogenannte Hinweisgebersysteme einführen. Das heißt, sie müssen der Belegschaft einen Meldekanal zur Verfügung stellen, der das anonyme Melden von Missständen ermöglicht. Die EU-Richtlinie schreibt auch vor, wie mit diesen Meldungen umgegangen werden muss.
Kleinere Unternehmen haben voraussichtlich bis 2023 Zeit, solche Meldesysteme einzuführen. Sie sind aber gut beraten, das bereits heute zu tun. Denn sobald Hinweisgebersysteme verpflichtet werden, ist der Branding-Effekt verstrichen. Wer bereits heute, ohne gesetzliche Pflicht, ein solches Hinweisgebersystem einführt, der hebt sich als ethischer Arbeitgeber von der Konkurrenz ab.
Nutzen Sie die Signalwirkung, die von einem Hinweisgebersystem ausgeht für Ihre Arbeitgebermarke. Die Pflicht kommt ohnehin, heute ist es noch eine Chance!