Die EU-Hinweisgeberrichtlinie tritt am 17. Dezember europaweit in Kraft. Bis zu diesem Datum müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Die genaue Ausgestaltung kann sich von Land zu Land unterscheiden.
Wichtig: Sollte ein Staat die Richtlinie nicht umsetzen, gilt sie trotzdem. Die genaue Interpretation obliegt dann im Rechtsstreit dem jeweiligen Gericht. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Gerichte sich eng an der EU-Richtlinie orientieren, wenn kein nationales Gesetz eingeführt wurde.
So oder so sind Unternehmen also zur Einführung von Meldekanälen verpflichtet.
Deutschland im Rückstand
Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat im Dezember 2020 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt. Da es in der Regierungskoalition jedoch unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Umsetzung der Richtlinie gab, ist das Gesetzgebungsverfahren vorerst zum Stillstand gekommen.
Die neue Koalition muss sich diesem Vorhaben nun annehmen. Es ist wahrscheinlich, dass sie sich dabei am bestehenden Entwurf orientieren wird, auch wenn es ggf. stellenweise zu Anpassungen kommen wird.
Gültigkeit
Der Umsetzungsentwurf der alten Regierung verpflichtet Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden und Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz ab 10 Millionen Euro zur Einführung interner Whistleblowing-Systeme. Unternehmen aus dem Finanzsektors müssen unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten solche Hinweisgebersysteme einführen.
Betriebsrat
Bei der Einführung eines neuen bzw. bei der Änderung bestehender Hinweisgebersysteme müssen Unternehmen den Betriebsrat beteiligen. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn das Hinweisgebersystem Meldepflichten statuiert. Außerdem greift § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn technische Einrichtungen zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer eingeführt werden.
Relevanz
Es darf keine Rolle spielen, ob sich ein Hinweis als zutreffend herausstellt. Auch die Motivation des Meldenden spielt keine Rolle. Das macht es für Arbeitgeber zukünftig schwieriger, arbeitsrechtliche Sanktionen gegenüber Hinweisgebern zu verhängen.
Beweislast
Künftig muss der Arbeitgeber beweisen, dass Mitarbeiter nicht aufgrund von Hinweisen sanktioniert wurden. Zum Beispiel muss bei einer Versetzung nachweisbar sein, dass diese nicht im Zusammenhang mit einem zuvor erfolgten Hinweis des Arbeitnehmers steht.
Arbeitgeber sollten deshalb eine Leistungsdokumentation über Angestellte führen, um im Zweifel nachweisen zu können, warum ein Mitarbeiter gekündigt oder gemaßregelt wurde.
Bisher trugen dafür Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Beweislast. Die Kritik an dieser Regelung ist, dass Arbeitnehmer sich durch Hinweise unkündbar machen könnten. Ob diese Regelung in der aktuellen Form beibehalten wird, bleibt daher abzuwarten.
Gutgläubigkeit
Hinweisgeber sollen nur bei gutgläubig abgegebenen Meldungen geschützt sein. Werden vorsätzlich oder grob fahrlässig Falschmeldungen abgegeben, dann haftet der Hinweisgeber. Dadurch wird das Unternehmen vor Missbrauch geschützt.
DSGVO
Ein weiterer Kritikpunkt ist die unter Umständen mangelnde Konformität mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Laut DSGVO ist eine Person grundsätzlich nach Art. 14 über sämtliche Umstände der Datenverarbeitung zu unterrichten, wenn personenbezogene Daten ohne Kenntnis des Betroffenen erhoben werden. Außerdem gibt es einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO in Bezug auf seine verarbeiteten Daten.
Die Problemstellung hierbei ist, inwiefern die Identität des Hinweisgebers überhaupt im Einklang mit der DSGVO vertraulich behandelt werden kann.
Die Datenschutzkonferenz hat in einer "Orientierungshilfe zu Whistleblowing-Hotlines vom 14.11.2018" betont, dass das Zurückhalten von Auskünften so lange zulässig sei, bis die Untersuchung der Meldung bei Unterrichtung des Beschuldigten nicht mehr gefährdet wäre. Das heißt, wenn dieser Aufschub-Grund entfalle, sei die Information nachzuholen. Dadurch ist ein absoluter Schutz der Anonymität des Hinweisgebers nicht zu erreichen.
Es gibt in Deutschland also noch viel Diskussionsbedarf. Die neue Regierung ist nun offiziell im Amt. Wir bleiben gespannt.