14. Dezember 2021

Deutsche Besonderheiten: Der Betriebsrat hat ein Mitspracherecht bei Hinweisgebersystemen

Betriebsräte nehmen in deutschen Unternehmen eine besondere Funktion ein. Bei der Einrichtung eines Hinweisgebersystems sollten und müssen sie miteinbezogen werden.

Ab 17.12.2021 muss die EU-Hinweisgeber-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Auch wenn die Richtlinie die allgemeinen Anforderungen an Hinweisgebersysteme definiert, kann die Umsetzung sich doch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden.

Bislang haben nicht alle Mitgliedstaaten die Umsetzung abgeschlossen. Jüngst legte Polen einen Gesetzesentwurf vor, der sogar noch über die Anforderungen der EU hinausging. Es soll bis zu drei Jahre Haft für den Geschäftsführer geben, wenn das Unternehmen kein den Vorgaben entsprechendes Hinweisgebersystem installiert hat.

In Deutschland hinkt der Gesetzgeber noch hinterher. Die nationale Umsetzung muss der deutschen Rechtslage entsprechen, die sich von anderen Mitgliedsstaaten unterscheidet. Zum Beispiel im Hinblick auf die Miteinbeziehung von Betriebsräten.

Aktuelle Rechtslage

Nicht alle Betriebe in Deutschland haben einen Betriebsrat. In Unternehmen, in denen es einen Betriebsrat gibt, haben Arbeitnehmer bereits heute das Recht, nach § 84 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Beschwerden beim Betriebsrat einzulegen.

§ 84 Abs. 3 BetrVG sieht darüber hinaus ein Benachteiligungsverbot vor.

Dazu gibt es ein allgemeines Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB, das dem Arbeitgeber bereits jetzt Grenzen vorgibt. Der Zweck dieses Verbots ist der Schutz der Willensfreiheit der Arbeitnehmer. So sollen sie ihre Rechte ausüben können, ohne Repressalien des Arbeitgebers zu fürchten.

Das klingt schon ziemlich ähnlich wie die EU-Whistleblower-Richtlinie. Warum also überhaupt noch ein neues Gesetz und Hinweisgebersysteme, wenn man doch den Weg über den Betriebsrat gehen kann?

Was ändert sich?

Die deutsche Rechtslage verfolgt zwar ein ähnliches Ziel wie die EU-Hinweisgeber-Richtlinie, in der Ausgestaltung unterscheidet sich jedoch deutlich.

Zum einen schreibt die EU-Richtlinie komplette Anonymität vor. Eine Meldung beim Betriebsrat kann das meist nicht gewährleisten. Außerdem beurteilt die aktuelle Rechtsprechung die Zulässigkeit des Whistleblowings anhand einer Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers und dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers mit der Meldung einen potenziellen Missstand offenzulegen.

Das Problem dabei ist, dass es für Whistleblower aufgrund der einzelfallbezogenen Rechtsprechung sehr schwer ist, einzuschätzen, ob ihre Meldung wirklich rechtlich zulässig ist oder nicht und ob sie Schutz des Gesetzes genießen.

Zum anderen interpretiert das Bundesarbeitsgericht (BAG) das Benachteiligungsverbot, welches aus § 612a BGB folgt, weit und auch vage.

Zum Beispiel fallen laut BAG verhältnismäßig viele Maßnahmen unter das Benachteiligungsverbot. Über die tatsächliche Zulässigkeit dieser Maßnahmen muss das Gericht allerdings dann im Einzelfall entscheiden. Das heißt, es gibt bislang keine klaren Leitlinien.

Mit der neuen EU-Richtlinie treten hingegen standardisierte Verfahren in Kraft, sowohl hinsichtlich der Meldung als auch hinsichtlich deren Bearbeitung.

Betriebsrat einbeziehen

Die deutsche Rechtsprechung ist hinsichtlich des Whistleblower-Schutzes also sehr schwammig. Deshalb soll das geplante Hinweisgeberschutzgesetz die Rechtssicherheit verbessern.

Dennoch werden Arbeitgeber bei der Einführung eines neuen bzw. bei der Änderung bestehender Hinweisgebersysteme den Betriebsrat wohl beteiligen müssen. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn das Hinweisgebersystem Meldepflichten statuiert.

Außerdem hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, wenn technische Einrichtungen eingeführt oder angewendet werden, deren Ziel die Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer sind. Je nach Interpretation könnten Hinweisgebersysteme auch unter diese Definition fallen.

Unabhängig von der endgültigen Rechtsprechung, sollten sich Arbeitgeber also darauf einstellen, in puncto Whistleblowing mit dem Betriebsrat zusammenzuarbeiten. Es bietet sich daher an, Betriebsräte schon jetzt beim Aufsetzen eines solchen Systems miteinzubeziehen.

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